Das Aufkommen des Säkularen Buddhismus im Westen ist Teil einer umfassenderen Säkularisierung aller Lebensbereiche, die sich bereits vor der Renaissance entwickelt hat. Historisch gesehen stellt die Säkularisierung eine jahrhundertelange gesellschaftliche Entwicklung dar, nicht den Sieg der Wissenschaft über die Religion. Der heutige Säkularismus ist gekennzeichnet durch einen kulturellen Niedergang absoluter Wahrheitsansprüche, insbesondere solcher, die übernatürliche Phänomene oder Wesen betreffen.

Obgleich säkulare Buddhisten mit unterschiedlichen Linien, einschließlich des Zen und des tibetischen Buddhismus, in Verbindung gebracht worden sind, kann der säkulare Buddhismus durchaus auch als eine aus bestimmten Modernisierungsbestrebungen heraus entstandene Entwicklung innerhalb des Theravāda-Buddhismus betrachtet werden, der Schule des Buddhismus, die heutzutage in Südostasien vorherrschend ist.
Um die Buddhisten gegenüber den Vorstößen christlicher Missionare im späten neunzehnten Jahrhundert zu stärken, machten einige religiöse Führer der Theravādin in Südostasien klösterliche Meditationspraktiken und Lehren für Laien in zeitgemäßer Form zugänglich.

Vipassana als Wegbereiter

Nachdem sie in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren bei Theravāda-Lehrern in Indien, Thailand und Burma studiert und praktiziert hatten, brachten Jack Kornfeld, Christina Feldman, Sharon Salzberg, Christopher Titmuss, Joseph Goldstein und andere diesen laisierten Dharma in die Vereinigten Staaten und nach Großbritannien. Um dem Dharma mehr Aktualität zu verleihen, wurde den hierarchischen und patriarchalischen Aspekten der buddhistischen Klosterkultur sowie den meisten ihrer rituellen Formen weniger Bedeutung beigemessen zugunsten einer laienorientierten Form des Buddhismus. Dies wurde als Vipassana- oder Einsichtsmeditations-Bewegung bekannt.

Auch wenn einige Aspekte des traditionellen Buddhismus in den Hintergrund rückten, hat die Einsichtsmeditation doch viele hergebrachte Lehren bewahrt, wie z.B. die Vorstellung vom Nirvana als einem dauerhaften Zustand und der Transzendenz der menschlichen Existenz sowie die charismatische Autorität eines Lehrers, die auf der Dharma-Übertragung und dem spirituellen Stammbaum oder der Abstammungslinie beruht.
Parallele Entwicklungen gab es bei der Rezeption des japanischen Zen-Buddhismus im Westen.

Der Dharma schlägt Wurzeln


Der säkulare Buddhismus versucht den Prozess, den Dharma in der modernen westlichen Kultur zu verwurzeln, dort fortzusetzen, wo die bisherige nicht-monastische Vipassana-Bewegung aufgehört hat. Ausgehend von Stephen Batchelors bahnbrechenden Werk „Buddhismus für Ungläubige“ [Buddhism without beliefs (1997)], haben säkulare Buddhisten versucht, die Lehren von Gotama, dem historischen Buddha, wiederherzustellen, wobei sie deren spätere religiöse Vereinnahmung hinter sich ließen und die kulturellen Beifügungen traditioneller Formen des Buddhismus abstreiften.
Gleichzeitig haben sie untersucht, wie die Lehren mit wichtigen Schulen der westlichen Philosophie in Verbindung stehen, von den alten Griechen bis zu modernen und postmetaphysischen Schulen wie der Phänomenologie, dem Existenzialismus und dem amerikanischen Pragmatismus. Säkulare Buddhisten stellen auch orthodoxe Interpretationen der Lehren in Frage, nicht zuletzt jene, die sie mit metaphysischen Wahrheitsansprüchen verknüpfen.
Nicht zuletzt propagieren säkulare Buddhisten gleichberechtigte, offene und demokratische Sanghas (Gemeinschaften von Praktizierenden), in denen es wenig oder keinen Unterschied zwischen Lehrenden und anderen Praktizierenden gibt.
Säkulare buddhistische Gemeinschaften und Websites haben sich in den letzten zwanzig Jahren immer weiter verbreitet, vor allem in den englischsprachigen Teilen der Welt, aber auch zunehmend in anderen europäischen Ländern.