Gibt es Rituale im säkularen Buddhismus?

rituale buddhismus

Von Buddhastiftung

Im traditionellen Buddhismus gibt es zahllose buddhistische Rituale zu unterschiedlichen Anlässen, wie z.B. Feiertagen (z.B. Vesakh), Ordination eines Mönchs oder Tod eines Angehörigen.

 

Rituale in traditionell buddhistischen Ländern

Wenn wir an buddhistische Rituale denken, kommen uns vielleicht als erstes die Rituale in den Sinn, die einhergehen mit der Meditation in einer bestimmten Tradition: Glöckchen, Gongs, Klangschalen, Räucherstäbchen, ritualisierte Gesänge (Chanten), Verbeugungen, eine bestimmte Kleidung, Sitzhaltung oder ein bestimmter Tagesablauf während eines Retreats, ganz zu schweigen von den vielen regionalen Ritualen buddhistischer Gemeinschaften weltweit. Für Menschen unseres Kulturkreises kann dies auf exotische Weise faszinierend sein und manchen zum Schluss verleiten, dass die buddhistische Praxis aus solchen Ritualen bestehe.

Diese Einschätzung ist zum Teil gar nicht unberechtigt, wenn man die Rolle von Laien in Ländern mit einem orthodoxen buddhistischen Klerus betrachtet, wo die Rolle von Laien häufig darin besteht, den Klerus zu unterstützen und den von ihm durchgeführten Ritualen beizuwohnen.

Manchmal gibt es deshalb unter Menschen, die sich als säkulare Buddhisten bezeichnen, die Tendenz, Rituale als traditionelle kulturelle Beigabe und abergläubige Praxis zu betrachten und deshalb abzulehnen.

 

Rituale im Westen

Schaut man etwas genauer hin, ist der Unterschied zwischen hier und dort nicht mehr so augenscheinlich, insbesondere, wenn der exotische Aspekt weniger ins Auge sticht, wobei z.B. das symbolische Einverleiben des Blutes und Körpers Christi im Abendmahl, das Wave-Gothic-Festival oder regionale Bräuche zur Feier von jahreszeitlichen Anlässen (Verbrennung von Strohfiguren, Oktoberfest) selbst für manchen Einheimischen durchaus exotische Züge aufweist.

 

Rituale sind unser Leben

Unser gesamtes Leben ist von Ritualen durchzogen, sei es, dass wir sie selbst praktizieren oder andere für uns. Meistens ist uns das gar nicht bewusst, weil es uns alltäglich erscheint. Wir stehen morgens auf, putzen uns jeden Tag die Zähne, richten unsere Haare, essen und trinken gemeinsam zur gleichen Tageszeit, gehen abends mit den gleichen Menschen Sport machen, feiern unseren Geburtstag, die Geburt unsere Kinder und den Tod unserer Angehörigen. Keiner würde auf die Idee kommen, diese Rituale abzulehnen wegen einem vermeintlichen abergläubischen Potenzials oder der Verwurzelung in einer kulturellen Tradition.

Rituale sind eine Form der Kommunikation mit uns selbst oder mit anderen und sie transportieren eine Ihnen zugewiesene Bedeutung, die abhängig ist von unserer eigenen persönlichen kulturellen Prägung. Sie sind häufig verknüpft mit Symbolen, und vermitteln uns deshalb Verbundenheit und Orientierung sowie Verortung in der Zeit. Dies gilt sowohl im Alltag als auch für seltene rituelle Anlässe.

 

Keine festen Rituale im säkularen Buddhismus

Buddhistische Praxis aus einer säkularen Perspektive umfasst nicht nur die Praxis der formalen Meditationsübung, sondern den Alltag, das gesamte Leben als Übungsfeld für die Kultivierung des Erwachens: Achtsames Leben findet nicht nur auf dem Kissen statt, sondern wird 24 h praktiziert.

Natürlich wird es auch dabei Rituale geben und sei es nur die Tatsache, dass wir uns jeden Tag zu einer bestimmten Zeit auf ein bestimmtes Kissen in einer bestimmten Haltung niederlassen und für eine bestimmte Dauer kontemplativ üben. Möglicherweise haben wir dafür einen Raum reserviert, der mit Gegenständen dekoriert ist, z.B. einer Buddhastatue, einer Pflanze oder wir zünden eine Kerze an. Vielleicht nützen wir auch nur ein strukturelles Ritual, wie die Erinnerung, achtsam zu sein, wenn das Telefon klingelt oder jemand an der Tür klopft.

 

Welches Ritual hilfreich ist, bestimmt jeder selbst

Egal welche Rituale wir nutzen, entscheidend ist nicht, wie sie aussehen, sondern in welcher Absicht und mit welcher geistigen Haltung sie ausgeführt werden.

Wenn die Absicht darin besteht, durch ein bestimmtes Ritual unsere Geisteserfassung zu stabilisieren, um z.B. auf diese Weise Konzentration oder Einsicht zu üben, kann sich ein Ritual als hilfreich erweisen. Wenn wir allerdings dazu neigen, an einem bestimmten Ritual anzuhaften, weil es uns in eine angenehme Stimmung versetzt, kann uns das unter Umständen entgehen. Wenn wir plötzlich feststellen, dass Ärger in uns aufsteigt, wenn Rituale nicht wie geplant durchgeführt werden, weil z.B. die Katze oder der Partner stört, sollte dies Anlass zum Reflektieren sein. Deshalb ist es hilfreich, immer wieder zu reflektieren, zu welchem Zweck wir Rituale in Zusammenhang mit unserer Praxis durchführen und ob wir nicht in die Falle des Anhaftens und Verlangens tappen.

 

Die Ritual-Falle

Wenn wir merken, dass wir uns mit einer bestimmten Art, zu praktizieren, identifizieren, ist es hilfreich, auch einmal Rituale zu pausieren und die „Ritualpause“ zum Meditationsobjekt zu machen und wahrzunehmen, welche Gedanken und Wahrnehmungen des Körpers damit einhergehen. Auf diese Art und Weise können wir sicherstellen, dass Rituale nicht zu einem Ersatz werden, zu einer Flucht und zu einer Wellnessübung. Wenn wir auf diese Weise wachsam bleiben, spielt es keine Rolle, ob wir Rituale in Zusammenhang mit unserer Praxis nützen oder nicht und welcher Art diese sind.

Rituale sind im Säkularen Buddhismus kein Mittel, um dem Erwachen näherzukommen, Zugang zu absoluten Wahrheiten oder “reinen Ländern” zu erlangen und gehören nicht zu Selbstverpflichtungen im Rahmen von Gelübden, usw., wie es in der ein oder anderen Weise in traditionellen Strömungen des Buddhismus der Fall ist. Sie sind nur dadurch hilfreich, dass sie ein Individuum auf dem Weg zum Erwachen im Hier und Jetzt unterstützen.

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