Was tun wir eigentlich, wenn wir meditieren – und warum? Meditation ist mehr als das Fokussieren auf den Atem. Sie ist eine Schulung im Umgang mit inneren Dynamiken: mit unserer Empfindsamkeit und Reaktivität. Meditation lädt uns ein, uns Herz und Geist gleichermaßen zuzuwenden und hilfreiche Haltungen zu pflegen – mitten im Alltag, in Beziehungen und auch in Krisenzeiten.
Einleitung: Was ist der Herzgeist?
Um zu verstehen, warum Meditation ein Kernstück der buddhistischen Praxis ist, sollten wir zunächst einen Blick auf den Begriff Herzgeist (citta) werfen.
Im Deutschen verbinden wir „Geist“ meist mit Denken, Intellekt oder kognitiven Fähigkeiten. Doch im Erleben – besonders in der Meditation – spüren wir schnell: Da ist mehr. Neben Gedanken treten Gefühle, Stimmungen, Empfindungen und Impulse hervor.
Im Buddhismus fasst das Wort citta diese gesamte innere Erfahrungsdimension zusammen. Es beschreibt nicht nur das Denken, sondern auch das Fühlen. Deshalb lässt es sich am besten mit „Herzgeist“ übersetzen: die Einheit von Geist und Herz, rationaler Aktivität und emotionaler Resonanz.
Empfindsamkeit und Reaktivität
Citta ist wie eine Schwingtür zwischen Innen und Außen:
- Von außen: Eindrücke durch Sehen, Hören, Riechen, Schmecken oder Fühlen.
- Von innen: Bilder, Erinnerungen, Gedanken, die vor dem „inneren Auge“ entstehen.
Beides berührt den Herzgeist – und sofort reagiert er. Wir merken das körperlich: „Es wird mir eng ums Herz“, „mir bleibt der Kloß im Hals stecken“, „mir wird heiß und kalt“ – all dies sind Ausdrucksformen des Herzgeistes in Bewegung.
Frühe Texte bringen es auf den Punkt: „Citta folgt der Aufmerksamkeit.“ Alles, dem wir Aufmerksamkeit schenken, färbt unseren Herzgeist ein. Richten wir sie auf etwas, das uns ängstigt, reagiert der Herzgeist mit Enge und dem Impuls, uns zu schützen. Wenden wir uns etwas Freundlichem zu, öffnet er sich und weitet sich.
Meditation als Kultivierung des Herzgeistes
Wenn der Buddha von Meditation spricht, taucht immer wieder der Begriff citta-bhāvanā auf – die „Pflege“, „Entwicklung“ oder „Kultivierung des Herzgeistes“.
Ein treffendes Bild dafür ist der Garten: Wir sorgen dafür, dass hilfreiche Pflanzen wachsen dürfen – Samen von Klarheit, Mitgefühl, Ruhe. Gleichzeitig erkennen wir das Unkraut, das Raum nimmt – etwa Ärger, Gier oder Verwirrung – und lernen, wie wir es nicht weiter nähren.
Meditation bedeutet daher nicht primär, gedankenlos oder versunken zu sein. Auch nicht, bewusstseinsverändernde Zustände herzustellen. All das kann auftreten, bleibt aber Nebenwirkung.
Im Kern geht es darum, unseren Herzgeist zu pflegen, zu nähren und zu stabilisieren.
Wir lernen, hilfreiche Muster zu stärken und unheilsame Tendenzen zu erkennen – ohne sie sofort auszuleben. Meditation schafft einen Raum, in dem Klarheit und Herzenswärme gemeinsam wachsen.
Meditation – ein Werkzeugkasten
Meditation ist keine einzelne Methode, sondern ein ganzer Werkzeugkasten. Denn unsere inneren Dynamiken erfordern unterschiedliche Zugänge.
Auch der Buddha lehrte verschiedene Formen der Meditation. Spätere LehrerInnen haben sie fortgeführt, interpretiert und erweitert. Am Anfang mag diese Vielfalt überfordernd wirken – soll ich mich nun dem Atem widmen, Wohlwollen üben oder nur beobachten? Doch mit der Zeit entstehen Intuition und Erfahrung: Welches Werkzeug braucht mein Herzgeist gerade?
Wichtig ist: Meditation will uns nicht in eine starre Form pressen. Sie ist flexibel und anpassbar. Sie unterstützt uns dabei,
- einen hilfreichen Umgang mit inneren Dynamiken zu finden,
- den Herzgeist zu beruhigen und zu stabilisieren,
- Freude, Zufriedenheit und Wohlbefinden zu stärken,
- Impulse zu halten, ohne ihnen sofort zu folgen,
- und zu erkennen, was in diesem Moment wirklich geschieht.
Kurzum: Meditation bietet uns eine lebendige Beziehung zu unserem Herzgeist – keine Dogmatik, sondern Dialog.
Formen der Meditation
- Je nach Methode kann sich der „Dialog mit dem Herzgeist“ ganz unterschiedlich zeigen:
- Atemmeditation: Wir verankern die Aufmerksamkeit beim Atem – rhythmisch, fließend, beruhigend. Der Atem färbt den Herzgeist mit Ruhe und wird zum stabilisierenden Anker bei innerer Unruhe.
- Beobachtendes Wahrnehmen: Wir richten Achtsamkeit auf innere Dynamiken – Gedanken, Stimmungen, Körperempfindungen. Wir lernen, nicht allem sofort zu folgen. So entsteht Einfachheit im Erleben, ein Zurücktreten aus der „Geschichte über“ und ein Hineingehen ins unmittelbare Spüren.
- Haltungen kultivieren: Wir trainieren Qualitäten, die wir stärken wollen – Metta (liebende Güte), Karuna (Mitgefühl), Geräumigkeit, Geduld, Dankbarkeit.
- Reflexion (Anussati): Wir setzen bewusst Impulse in den Herzgeist, indem wir kontemplative Gedanken nähren: Zuflucht zu Buddha, Dharma, Sangha; Dankbarkeit; eigene heilsame Handlungen; oder das Nachsinnen über die Vergänglichkeit.
So wird Meditation vielfältig, lebendig und praxisnah.
Zusammenfassung – Das Takeaway
Meditation ist kein starres Verfahren, sondern ein reicher Werkzeugkasten. Im Buddhismus gilt sie der Fürsorge, Kultivierung und Schulung des Herzgeistes (citta-bhāvanā).
Letztlich dient sie dazu, innere Enge und Reaktivität zu lösen – und Raum für Gelassenheit, Mitgefühl, Klarheit und Friedlichkeit zu öffnen.



