Karma

Karma bezeichnet im Buddhismus vor allem die Wirksamkeit von Absicht und Handlung: Was mit bestimmter Motivation gedacht, gesagt oder getan wird, formt Gewohnheiten, Charakter und Beziehungen und bringt entsprechende Folgen hervor, vor allem im eigenen Erleben und in der sozialen Umwelt. Es ist kein kosmisches Belohnungs‑ oder Strafsystem, sondern ein beschriebenes Muster wechselseitiger Bedingtheit im gegenwärtigen Leben.

Definition

Im buddhistischen Sinn ist Karma (Pali: kamma) die Wirksamkeit absichtsvoller Handlungen: Innere Haltungen und Intentionen [cetana] prägen Denken, Sprechen und Tun und führen zu erfahrbaren Folgen [vipāka], die wiederum künftige Tendenzen formen. Karma beschreibt so einen erfahrbaren Lern‑ und Gewöhnungsprozess: unheilsame Ursachen nähren Leid, heilsame Ursachen fördern Wohlbefinden, Klarheit und Verbundenheit. Es ist eine natürliche, psychologisch‑ethische Dynamik, kein übernatürliches Gesetz.

Übersetzung und Wortherkunft

Beschreibung und Bedeutung

Karma steht im Dharma‑Kontext für die praktische Einsicht, dass Intentionen Handlungen strukturieren, Handlungen Erfahrungen formen und Erfahrungen wiederum zukünftige Intentionen bedingen. So wird Karma zur alltagsnahen Beschreibung von Bedingtheit [abhängiges Entstehen]: Wahrnehmung, Gefühlston, Begehren und Greifen erzeugen Muster, die Leid verstärken oder lösen. Ethik ist daher funktional: Handlungen werden nach ihren Folgen für Leid und Wohl beurteilt, nicht nach Gehorsam gegenüber Autoritäten. Dieser Fokus verbindet Karma mit Achtsamkeit, dem Edlen Achtfachen Pfad (rechte Absicht, Rede, Handlung, Lebensweise) und den drei unheilsamen Wurzeln (Gier, Aversion, Verblendung), deren Schwächung karmische Dynamiken heilsam umlenkt.

Aus säkular‑buddhistischer Sicht beschreibt Karma beobachtbare Lern‑ und Feedbackprozesse: Aufmerksamkeit, Intention und Verhalten konditionieren Nervensystem, Affektregulation und soziale Beziehungen. Heilsame Handlungen trainieren Mitgefühl und Klarheit; unheilsame verstärken Reaktivität und Engstellen der Wahrnehmung. Anstelle metaphysischer Erzählungen stehen experimentelle Praxis und Verantwortung: Hypothesen über Ursache‑Wirkung werden im eigenen Leben überprüft. So wird Karma zur Ethik der Fürsorge in einer vernetzten Welt, nicht zu Schicksalsglaube oder Schuldmechanik.

Säkularer Buddhismus

Säkularer Buddhismus betont Karma als gegenwärtig überprüfbare Dynamik: Absicht formt Aufmerksamkeit, Körperzustände und Beziehungsmuster; Konsequenzen zeigen sich in Affekt, Handlungsoptionen und sozialen Rückkopplungen. Reifung [vipāka] meint somit primär erfahrbare, diesseitige Folgen und Gewohnheitsbildung, unterstützt durch Achtsamkeit, Reflexion und Gemeinschaftspraxis. Zentral ist Verantwortung statt Schuld: Schäden werden erkannt, Verantwortung übernommen, repariert und Lernen verstetigt. Merit [Verdienst] wird als Pflege gemeinsamer Güter verstanden: Handlungen, die kollektives Wohl befördern.

Theravada und Mahayana

Im Theravada bleibt die Definition „Absicht ist Karma“ klassisch, jedoch in ein mehr‑Leben‑Modell eingebettet (Karma und Wiedergeburt). Abhidhamma‑Analysen differenzieren feinkörnig heilsame/unheilsame Geistesmomente und deren Reifung. Mahayana‑Traditionen integrieren Mitgefühl und Leerheit: Handlungen sind leer von Eigenwesen, aber folgenwirksam; Yogācāra spricht von „Samen“ [bīja] in einem Speicherbewusstsein, die reifen, wenn Bedingungen zusammentreffen. Im Tibetischen Buddhismus werden Reinigung, Bekenntnis und Widmung als karmische Umsteuerung praktiziert; zugleich relativiert Weisheit starre Zuschreibungen durch Einsicht in Bedingtheit.

Bezug zu westlichen Konzepten

Karma lässt sich mit aristotelischer Tugendethik (Habitusbildung) und stoischer Praxis (Aufmerksamkeit auf das Kontrollierbare) verbinden. Kants Fokus auf Motivation erinnert an cetana, während Empirismus und Pragmatismus (Hume, James, Dewey) das Prüfen von Hypothesen durch Erfahrung nahelegen. In Psychologie und Neurowissenschaft spiegeln Konditionierung, Verstärkerpläne und Neuroplastizität karmische Lernschleifen; System‑ und Komplexitätstheorie beschreiben Rückkopplungen und Schwellen. Moderne Ethik der Fürsorge und ökologische Systemethik erweitern Karma auf interpersonale und planetare Netze, in denen Handlungen gemeinsame Resilienz oder Verletzlichkeit aufbauen.

Bezug zu Praxis und Ethik

Karma wird im Alltag gelebt, wenn Absicht, Aufmerksamkeit und Wirkung kontinuierlich verbunden werden: Vor dem Sprechen innehalten, den Gefühlston erkennen, die beabsichtigte Wirkung prüfen; nach dem Handeln reflektieren, lernen, ggf. reparieren. Haushaltsentscheidungen (Konsum, Mobilität) sind karmisch, weil sie ökologische und soziale Netze beeinflussen. Beruflich bedeutet Karma, transparente, faire Prozesse zu fördern; privat, Geduld, Güte und Klarheit zu trainieren. Meditativ stützt Metta‑ und Einsichts‑Praxis die Umlenkung von Reaktivität zu Fürsorge und Weisheit.

Suttas zum Thema des Begriffs

Weitere Quellen

Links zu Enzyklopädien

Verwandte Begriffe:
Kamma
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