Was ist Buddha-Natur?

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Von Buddhastiftung

Ein Potenzial – keine fixe Eigenschaft

Buddha-Natur ist ein oft missverstandenes Konzept, das als eine uns innewohnende Eigenschaft verstanden wird. Der Begriff Buddha-Natur bezeichnet das Potenzial oder die Fähigkeit, wie Gotama das Erwachen  realisieren zu können. Mit anderen Worten: “Buddha-Natur” ist kein verborgener Schatz irgendwo tief in uns, sondern eigentlich nur eine Art und Weise, über das kreative Potenzial des menschlichen Lebens zu sprechen.

Für die buddhistischen Mahayana-Traditionen (Tibet, Japan, China) ist „Buddha-Natur“ häufig die Antwort auf die Frage, wie ein “gewöhnlicher” Mensch ein Buddha werden kann. Buddha-Natur weist nach dieser Überzeugung auf die Aspekte gewöhnlicher Menschen hin, die in gewisser Weise bereits mit einem Buddha übereinstimmen. Es gibt jedoch eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Interpretationen dieses Prinzips.

Buddha-Natur ist ein Übersetzungsproblem

Buddha-Natur ist jedoch ein Begriff, den es in den frühen buddhistischen Texten so nicht gibt. Es ist die Übersetzung aus dem Sanskrit ins Chinesische und dann ins Englische, die den Begriff  hervorgebracht hat. Tathagatagarbha ist Begriff, der gemeinhin als die Sanskrit-Entsprechung des englischen Wortes „Buddha-Natur“ angesehen wird. Sehen wir uns den Be­griff jedoch näher an, hat er ganz und gar nicht diese Bedeutung. Und garbha heißt Mutterleib. Der Begriff der “Buddha-Natur” hat also seine Wurzeln in der  übertragenen Vorstellung des Mutterleibs des Tathagata. Das ist eine Sprache, eine Metapher, die der Vorstellung einer wesenhaften, uns fest innewohnenden “Natur” widerspricht (Mehr dazu im Beitrag Buddha-Natur – Seelenersatz für Buddhisten?).

Wenn der Begriff garbha als Metapher gesehen wird, ist garbha ein leerer Raum. Eine Gebärmutter ist ein leerer Raum, aber ein leerer Raum, der – hier metaphorisch – von einer Idee, einer Möglichkeit, einer anderen Lebensweise befruchtet werden kann.  Wir sprechen hier von einem lebendigen Prozess. „Buddha-Natur“ erfasst diese Vorstellung überhaupt nicht. Der Begriff steht weniger für einen Prozess als für einen fixen Zustand, eine wesenhafte Sache.

Das Dilemma mit der Buddha-Natur

Einer der Texte, der über die “Buddha-Natur” spricht, ist das Mahaparinirvana-Sutra – kurz Nirvana-Sutra – das wahrscheinlich im 3. Jahrhundert n. Chr. verfasst wurde, also mehrere Jahrhunderte nach Buddhas Tod. Es führte die Lehre des Tathagatagarbha (s.u.) ein, die allen Wesen das Potenzial verleihe, Buddhas zu werden.

In den Mahayana-Traditionen wird “Buddha-Natur” oft als „beständig, fest und ewig“ (nitya, dhruva, sasvata) beschrieben. Als sich die Lehre von der “Buddha-Natur” in den Mahayana-Schulen verbreitete, argumentierten einige Gelehrte, dass die Buddha-Natur etwas sei, was lebende Wesen “besitzen”, eine innewohnende Essenz also, so etwas wie einer “Selbst-Essenz”.

Diese Lehren stehen jedoch im Widerspruch zur buddhistischen Lehre der Unpersönlichkeit (Nicht-Ich, anatta) und einer anderen Mahayana-Lehre ,  sunnata (shunyata) oder Leerheit, die besagt, dass die Wesen leer von Selbst-Essenz sind. Es wurde deshalb der Versuch unternommen, diese Diskrepanz auf verschiedene Weise aufzulösen.  So wird z.B. die Buddha-Natur in dieser Sichtweise als eine wesentliche Eigenschaft des Geistes aufgefasst, aber nicht als Eigenschaft eines unveränderlichen “Selbst”.

 

Teile des Beitrags entstammen unserer Übersetzung des Artikels veröffentlicht als „What is buddhanature“ in Buddhism for Beginners in Tricycle: The Buddhist Review. Mit freundlicher Genehmigung unserer Freunde von Tricycle.

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