MINDFULNESS BASED ETHICAL LIVING (MBEL) – Der Kurs für ein ethisches Leben

MINDFULNESS BASED ETHICAL LIVING MBEL

Von Buddhastiftung

Mindfulness Based Ethical Living (MBEL) – “Ethisch Leben durch Achtsamkeit
Von der Fürsorge für mich zur Fürsorge für die Welt

 

Achtsamkeit als Fürsorge für mich

Ursprünglich war Achtsamkeit Teil einer buddhistischen Praxis (satipatthana). Heute scheint Achtsamkeit in seiner modernen, säkularen Form omnipräsent zu sein, im Internet, in Unternehmen, zu Hause auf einem Meditationskissen. Viele Menschen im “Westen” sind mit der Anwendung von Achtsamkeit vertraut, sei es über die Medien, Teilnahme an Kursen zur Achtsamkeit oder Anwendungen von achtsamkeitsbasierten Verfahren im Gesundheitswesen oder Coaching.
Alle diese Anwendungen dienen im Wesentlichen dem Zweck, den individuellen Umgang mit Emotionen und unterschiedlichsten Lebensumständen besser bewältigen zu können. Dies kommt im Namen des ältesten Achtsamkeitsprogrammes, von MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction / Stressbewältigung durch Achtsamkeit) zum Ausdruck, nämlich dem Ziel, den persönlichen Stress zu reduzieren.
Das Ziel der Achtsamkeitspraxis kann dann drauf fokussiert sein, das eigene Leben leichter zu leben oder mit dem Stress bei Problemen besser umgehen zu können. Dies ist ein legitimes persönliches Ziel ist. Um es zu erreichen muss ich mir meiner Reaktionen gewahr sein und diese mit Abstand betrachten, um nicht gestresst automatisch darauf zu reagieren. Nicht selten resultiert daraus eine Distanzierung zur Welt, eine angenehm ruhige Zeit auf dem Meditationkissen. Die Abwesenheit von Stress, die Gelassenheit und selbst die Freude verlaufen auf diese Weise nicht selten über den Rückzug nach innen.

Achtsamkeit nach innen und aussen

Voraussetzung für die breite Akzeptanz der Achtsamkeitspraxis in ganz unterschiedlichen Lebensbereichen war die Loslösung der Essenz der Achtsamkeitspraxis von ihren kulturellen und buddhistischen Wurzeln. Durch diese säkulare Aufbereitung der Achtsamkeitspraxis geriet auch die ursprünglich enge Verknüpfung zwischen der Praxis der Achtsamkeit und der Absicht bzw. Intention, diese zu praktizieren in den Hintergrund. Die ursprüngliche Intention für die Praxis der Achtsamkeit war im Wesentlichen ein ethischer beziehungsweise altruistischer Zweck, nämlich das eigene Leben in den Dienst eines mitfühlenden Miteinander mit allen Lebewesen zu stellen. Achtsamkeit war somit ursprünglich vor allem nach aussen gerichtet.

Achtsamkeit und der Zweck der Übung

Welchen Nutzen die Praxis der Achtsamkeit hat, hängt somit im Wesentlichen davon ab, mit welcher Intention oder zu welchem Zweck wir Achtsamkeit praktizieren. Ich kann Achtsamkeit praktizieren, um im Job besser zu sein als Kollegen und um eine Führungsposition zu erreichen oder ich kann Achtsamkeit praktizieren, um mitfühlender den Obdachlosen in meiner Straße helfen zu können.

 Der tiefere Sinn der Achtsamkeit ist Weisheit, verkörperte Weisheit, verkörperte Güte.
Jon Kabat-Zinn, 2017

Ethische Achtsamkeit (Ethical Mindfulness)

Aus diesem Grund muss jede Art von Achtsamkeitspraxis vor dem Hintergrund der Motivation oder dem Zweck gesehen werden, mit dem ich Achtsamkeit praktiziere. Meine Motive und Intentionen sind bestimmt durch meine bewussten und unbewussten Wert- und Moralvorstellungen. Deshalb hat die Intention, mit der ich Achtsamkeit praktiziere, immer auch eine ethische Dimension.
Die Intention oder auch Vision, mit der ich Achtsamkeit praktiziere, kann sich im Lauf meines Lebens wandeln. Zu Beginn komme ich vielleicht zu einem Achtsamkeitskurs, um besser mit Stress am Arbeitsplatz umgehen zu können. Im Lauf der Jahre entwickle ich vielleicht zusätzlich die Absicht, offener, freundlicher und mitfühlender mit Angehörigen oder Kollegen umgehen zu können. Die Intention für die Praxis der Achtsamkeit hat sich so verlagert von einem individuellen, therapeutischen Zweck zu einem ethischen Zweck, meine Beziehungen zu den Mitmenschen mit mehr Empathie zu gestalten.

Viele Achtsamkeitspraktizierende meditieren regelmäßig für ihr persönliches Wohlbefinden. Aus dieser Praxis heraus erwächst dann oft der Wunsch, die Praxis in einen größeren Rahmen zu stellen, den Rahmen der existenziellen Grundfragen, die Menschen aller Kulturen seit Jahrtausenden beschäftigen: was heißt es, Angesichts der existenziellen Unsicherheit und Vergänglichkeit ein gutes, gelungenes, ethisches und authentisches Leben zu führen? Wie könnte Achtsamkeit dabei helfen, persönliche Antworten auf diese Fragen zu finden und dann auch dabei hilfreich sein, den Antworten entsprechend zu handeln? Genau an diesem Punkt beginnt Mindfulness Based Ethical Living (MBEL, manche nennen es auch MINDBELL).

Was ist Mindfulness Based Ethical Living (MBEL)?

MBEL, in deutsch “Achtsamkeitsbasierte Lebenskunst” oder “Ethisch Leben durch Achtsamkeit” ist ein Achtsamkeitsprogramm, das gegenwärtig von einem internationalen Team aus Lehrenden und Praktizierenden mit langer säkularer Achtsamkeitspraxis und Meditationserfahrung entwickelt wird. Alle Teilnehmer hatten sich davor gemeinsam das Thema Achtsamkeit, Ethik und praktische Philosophie erarbeitet. Die Idee zu MBEL hatten Stephen Batchelor, ein bekannter säkularer Meditationslehrer und Autor zusammen und Jochen Weber von der Buddhastiftung im Rahmen eines Retreats (siehe auch Interview mit Stephen zu MBEL).

Die Grundfragen des Menschseins

MBEL erweitert die Achtsamkeitspraxis auf die Grundfragen und Grunderfahrungen der menschlichen Existenz, mit denen jeder Mensch konfrontiert ist. Zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Kulturen der Weltgeschichte wurden auf diese Grundfragen ganz unterschiedliche Antworten gegeben, zum Beispiel von der Philosophie, Wissenschaft oder Religion. Die Antworten, die dabei gegeben wurden, hatten in der Regel das Ziel, allgemeingültige Aussagen zu treffen oder sich als Wahrheit darzustellen.
MBEL beschreitet dagegen den dynamischen und erfahrungsbasierten Weg der achtsamkeitsbasierten Erkundung des Menschseins, der Conditio humana. Dementsprechend ist MBEL kein Ziel, das es zu erreichen gilt. MBEL ist die Verpflichtung und der Prozess des lebenslangen Lernens und Wachsens durch die eigene Erfahrung und deren achtsame Selbstreflexion.

Eine pragmatische Ethik

MBEL legt keine Prinzipien fest, die unsere Entscheidungen leiten oder jeweils mit den absehbaren Konsequenzen unserer Taten in Einklang bringen sollen. Vielmehr setzt der vorliegende Ansatz den Akzent auf die Menschen, auf das, was sie sind und was sie handeln lässt. Diese Form einer Ethik macht aus dem Verhältnis zu sich selbst den Schlüssel für die Beziehung zu den anderen und zur Welt. Es macht das Verhältnis zu den anderen menschlichen oder nicht-menschlichen Lebewesen und der zur Natur sichtbar.

MBEL ist eine pragmatische Herangehensweise, bei der man sich nicht an eine starre Konzeption von Gut und Böse klammern darf. Sie erlaubt es, zu Entscheidungen zu kommen, die eine angemessene Antwort auf eine Situation darstellen und nicht die theoretisch beste.

Der tiefere Sinn der Achtsamkeit ist Weisheit, verkörperte Weisheit, verkörperte Güte.
Jon Kabat Zinn, 2017*

Auf welcher Basis arbeitet MBEL?

Achtsamkeitspraxis

Die meisten Menschen haben eine Vorstellung davon, was Achtsamkeit ist. Viele haben praktische Erfahrung, durch einen Kurs oder eine regelmässige Meditationspraxis.
Dementsprechend kommen die bekannten formellen (verschiedene Formen der strukturierten Meditation) und informellen (Achtsamkeitsübungen im Alltag etc.) Anwendungen der Achtsamkeit zum Einsatz, die im MBEL-Kurs mit Hinblick auf das Thema angepasst werden.

ELSA

ELSA (Embrace life, Let be, See relaxation, Act) ist die Abkürzung für eine Roadmap, die den Weg und die Werkzeuge zu einem ethischen und authentischen Leben aufzeigt. ELSA verbindet die moderne Definition der Achtsamkeit mit ihren ursprünglichen, historischen Wurzeln. ELSA steht für ein System der Akzeptanz, Selbstreflektion und ethischen Handlungsbereitschaft, das alle Facetten und Aspekte der menschlichen Existenz des Individuums und seiner Beziehungen umfasst. ELSA ist keine Straße zu einem bestimmt ein Ziel, sondern eine Feedbackschleife, die eine lebenslange Adaptation an den angemessenen, kreativen und ethischen Umgang mit einer sich stetig verändernde Welt ermöglicht
ELSA basiert auf persönlichen Eigenschaften, die gefördert werden sollten, wenn Individuen ein ethisches, authentisches und erfülltes Leben führen wollen. Dies umfasst v.a. die Wertschätzung der Anderen, von Menschen und Tieren, die als Bestandteil der Achtung vor sich selbst entwickelt werden können.
ELSA räumt neben der Vernunft auch der Affektivität, dem Körper und dem Unbewussten einen wichtigen Platz ein. Die Basis auf der wir als Menschen stehen ist unsere verkörperte und zeitlich begrenzte Existenz auf diesem Planeten. Ethische Achtsamkeit ist eine Seinsweise, die im Laufe eines Prozesses der Selbstveränderung entwickelt und kultiviert wird.

Was lernst du bei MBEL?

Du lernst, wie du Achtsamkeit und andere Qualitäten anwendest, um ein ethisches, authentisches und sinnvolles Leben gemeinsam mit anderen zu führen und zu wachsen.
Du kannst lernen, deine eigene Existenz als freie, dabei stets ungewisse Existenz anzunehmen, für sie Verantwortung zu tragen und deine Authentizität zu stärken, die deinem Leben Ausdruck und Sinn verleiht.
Du kannst Antworten in dir finden zu Fragen wie „was kann ich tun?“ und „was will ich tun“ und dir über deine Werte oder den „Lebenssinn“ mehr Klarheit verschaffen.
Die achtsamkeitsbasierte Erkundung der für dich wichtigen Lebensfragen stärken deine Fähigkeiten zur Selbstreflektion, Handlungsfähigkeit und Verwirklichung eines authentischen und ethischen Lebens.

Wie lernst du bei MBEL?

Du lernst, wie du Achtsamkeit anwendest,
– um durch Selbstreflektion aus deiner Lebenserfahrung und durch Nachdenken zu lernen, was es für dich heißt, ein authentisches und ethisches Leben zu führen
– um von anderen zu lernen und gemeinsam mit ihnen und allem, was uns mit ihnen und dem Planeten verbindet, verantwortungsvoll zu leben.

Was lernst du bei MBEL nicht?

MBEL ist ein Weg, der lebenslang begangen werden will. MBEL ist weder eine spezielle Form der Suche nach einer Wahrheit noch werden Wahrheiten verkündet.
MBEL gibt keine allgemeingültige Antwort auf Fragen wie „was ist die beste Ethik“ oder „was ist die beste Moral“ , „woher kommen wir“ oder „wohin gehen wir?“

Wann startet MBEL?

Wenn die MBEL-Arbeitsgruppen das Kurs-Curriculum fertiggestellt haben, wird MBEL zunächst als Online-Kurs mit persönlicher Kursbegleitung aufgesetzt und getestet.
Nach erfolgreichem Test wird dann MBEL online verfügbar sein und in Zukunft auch vor Ort angeboten werden. Dazu gibt es noch keinen Zeitplan.
Im Internet wird MBEL auf der Seite ethicalmindfulness.org präsent sein.

* https://ethik-heute.org/achtsamkeit-kann-die-gesellschaft-heilen/

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