Definition

Ahimsa (Gewaltlosigkeit) ist ein zentrales ethisches Prinzip im Buddhismus, das das aktive Bemühen um die Vermeidung von Leid gegenüber allen Lebewesen umfasst. Es bedeutet nicht nur die Abwesenheit von physischer Gewalt, sondern auch den Verzicht auf verletzende Worte und Denkmuster. In seinem positiven Ausdruck kann Ahimsa sich auch in Handlungen von Mitgefühl (Karuna) und Freundlichkeit (Metta) zeigen und bildet aus buddhistischer Sicht die Grundlage für ethisches Handeln und Verantwortungsbewusstsein.

Übersetzung und Wortherkunft

  • Pali: Avihimsa
  • Sanskrit: ahiṃsā
  • Übersetzung: Gewaltlosigkeit, Nicht-Schaden
  • Etymologie: Der Begriff setzt sich aus “a-” (nicht) und “himsa” (Verletzen, Schaden) zusammen und bedeutet wörtlich “das Nicht-Schaden”.

Beschreibung und Bedeutung

Ahimsa ist die zentrale ethische Ausrichtung des Buddhismus und eng verbunden mit Qualitäten wie Mitgefühl (Karuna) und Freundlichkeit (Metta). Wer Ahimsa praktiert, der übt sich in einer Haltung der Gewaltlosigkeit in Gedanken, Worten und Taten. Damit ist Ahimsa ein bedeutender Faktor des “angemessenen Handelns” (Samma Kammanta) und der “angemessenen Intention” (sammā saṅkappa) im Edlen Achtfachen Pfad. Ahimsa betrifft nicht nur die persönliche Praxis der Gewaltvermeidung, sondern auch ein bewusstes Unterstützen gewaltfreier Strukturen in der Gesellschaft.

Ahimsa im Säkularen Buddhismus

Im Säkularen Buddhismus wird Ahimsa als praktische, ethische Verpflichtung verstanden. Im säkulären Buddhismus wird Ahimsa nicht als gottgegebene Pflicht verstanden, sondern ergibt sich aus der Beobachtung, dass alle Lebewesen in wechselseitiger Abhängigkeit zueinander stehen. Diese Perspektive der Interdependenz weißt darauf hin, dass Einzelne immer auch Teil eines größeren Gefüges sind, und ebenfalls betroffen sind, wenn irgendwo in diesem Gefüge Schaden entsteht. Diesen zu vermeiden und selbst nicht dazu beizutragen bereichert somit auch das eigene Wohlbefinden.

Ahimsa in Theravada und Mahayana

Im Theravada-Buddhismus wird Ahimsa in Bezug auf zahlreiche Aspekte des achtfachen Pfads genannt, wie “angemessene Rede” (sammā vācā), “angemessenen Handelns” (sammā kammanta) und der “angemessenen Intention” (sammā saṅkappa). Sie tritt aber auch in Bezug auf die Einhaltung der fünf ethischen Trainingsaufgaben (pañcasikkhāpada) verstanden, insbesondere der ersten Aufgabe, die darin besteht keinem Lebewesen willentlich Schaden zuzufügen.

Im Mahayana-Buddhismus wird Ahimsa im Zusammenhang mit dem Bodhisattva-Ideal gesehen. Bodhisattvas praktizieren Ahimsa nicht nur durch das Vermeiden von Gewalt, sondern auch durch aktive Hilfe und Mitgefühl. Es wird betont, dass wahrhafte Gewaltlosigkeit auch ein tiefes Verstehen der Bedürfnisse und Leiden anderer erfordert.

Bezug zu westlichen Konzepten

Das Konzept von Ahimsa zeigt deutliche Parallelen zu philosophischen und religiösen Ansätzen weltweit, so auch zur westlichen Moralphilosophie. Es gibt Überschneidungen mit der Ethik von Immanuel Kant, der betont, dass Menschen niemals nur als Mittel, sondern immer als Zweck an sich behandelt werden sollten. Ebenso finden sich Verbindungen zur Gewaltfreien Kommunikation von Marshall Rosenberg und zur Ethik des Utilitarismus, die das Wohl aller Lebewesen als moralisches Prinzip betont.

Bezug zur täglichen Praxis und ethischem Leben

Im Alltag fordert die Übung von Ahimsa ein bewusstes und empathisches Handeln gegenüber sich selbst und anderen. Zum einen geht es darum bewusst wahrzunehmen, wie sich Handlungen, Sprache und selbst unser Denken auf uns selbst und auch auf andere Auswirken. Zum anderen fordert eine Praxis von Ahimsa uns auf, uns empathisch auf andere einzulassen um zu verstehen, wie andere unsere Handlungen erfahren und aus welcher Perspektive sie das Geschehen wahrnehmen. Es geht darum Bedürfnisse auf gewaltfreie Weise miteinander zu verhandeln und verletzende Worte oder destruktive Gedanken zu vermeiden bzw. deren Ursprung zu hinterfragen. Ein Praxis von Ahimsa kann auch auf unseren Lebenswandeln angewandt werden, indem wir hinterfragen auf welche Weise unsere Art zu konsumieren, zu reisen und uns zu ernähren Einfluss auf andere Lebewesen nimmt.

Kontemplation der Gewaltlosigkeit

  • Komme in eine meditative Haltung und nimm dir Zeit zur Ruhe zu kommen.
  • Fokussiere dich für eine Weile auf ein einfaches und beständiges Erleben, wie zum Beispiel den Atem, das Lauschen der Umgebungsgeräusche oder der Wahrnehmung körperlicher Empfindungen.
  • Erinnere dich an eine Situation, die dich zuletzt herausgefordert hat, die dich ärgerlich, wütend oder geängstigt hat.
  • Beobachte, welche Handlungsimpulse spontan entstehen. Was möchtest du tun, sagen oder denken?
  • Aus welchen Bedürfnissen und Sichtweisen entstehen diese Impulse?
  • Ist es dir möglich die Bedürfnisse und Sichtweisen deines Gegenübers zu erinnern?
  • Wie würde eine Handlung aussehen, die beide Bedürfnisse respektiert?
  • Kehre, wann immer du möchtest, zum Atem und Spüren zurück.
  • Beobachte, wie sich deine körperlichen Empfindungen, deine Haltung, deine Gedanken und Impulse während der Übung verändern.

Suttas zum Thema Ahimsa

  • Dhammapada (Dhp 129-130)
    Alle Wesen fürchten Gewalt und Tod. Wer das erkennt, fügt anderen keinen Schaden zu.

  • Veḷudvāreyyasutta (SN 55.7)
    Aber auch andere wollen leben und nicht sterben; auch andere wollen Glück und schrecken vor Schmerz zurück. Wenn ich daher jemand anderem das Leben nähme, wäre ihm das auch unlieb und verhasst.

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