Die Frage, ob man sich auch ohne Meditation als Buddhistin bezeichnen könne, hat Jochen Weber im Magazin “Ursache \ Wirkung” in der Rubrik “Frag den Dharmalehrenden” beantwortet.
Die Frage
„Ich finde den BuddhismusIm allgemeinen Sprachgebrauch versteht man unter Buddhismus die gesamte Lehrtradition (Texte, Lehrer), Praxis und Rituale der buddhistischen Lehre und Ausübung in den jeweiligen K... Mehr > philosophisch interessant. Zum Beispiel die Vorstellung, dass alles im Fluss ist und nichts einen ewigen Kern hat. Das hat mir in der Vergangenheit tatsächlich geholfen, so manche Sorgen zu vergessen. Wenn der Augenblick eh nur zusammengesetzt ist und sich dadurch nur temporär etwas ergibt, was im nächsten Moment schon wieder etwas anders ist, warum sich Sorgen machen?
Da ich mir dieses philosophische Konzept grundsätzlich zu eigen gemacht habe, würde ich mich eigentlich als Buddhistin bezeichnen. Aus verschiedenen Gründen meditiere ich aber nicht und die viel gepriesenen Achtsamkeitsübungen sagen mir auch nicht zu. Kann ich ohne eine meditative Praxis dennoch Buddhist sein?“
Die Antwort
Wer legt „offiziell“ fest, wer Buddhist ist?
Niemand außer dir selbstDas Selbst oder Ego ist die komplexe Funktion des Geistes, die dazu dient unseren Alltag zu strukturieren und ordnen. Es ist aus buddhistischer Sicht an der Entstehung von Leiden b... Mehr >. „Es gibt keine andere ZufluchtZuflucht (Pali: tisaraṇa „dreifache Zuflucht“) ist die Selbstverpflichtung, die Lehre Buddhas im eigenen Leben praktisch umzusetzen. Die Zufluchtnahme zu den sog. drei Juwele... Mehr > im Leben als die Lehre, sei dir selbst eine Leuchte“, erklärte der BuddhaBuddha ist ein Ehrentitel (der Erwachte), der einem Mann namens Siddhartha Gotama gegeben wurde. Buddha bezeichnet einen Menschen, der Bodhi (wörtl.: „Erwachen“) erfahren und ... Mehr > vor seinem Tod. Keine andere Zuflucht bedeutet für dich die Aufgabe, den DharmaDer Begriff Dharma (Dhamma in Pali) bedeutet wörtlich "das Tragende" oder "das was hält", also das, an was man sich halten kann. Es bezeichnet im säkularen Buddhismus Buddhas Le... Mehr > ins eigene Leben zu integrieren. Jeder benützt dafür die Mittel, die persönlich hilfreich sind bei der Entwicklung von Einsicht und Ethik. Den Weg zur Meisterung der existenziellen Herausforderungen als sterbliche Wesen geht jeder auf seine Weise.
Traditionen hinterfragen
Traditionelle buddhistische Gruppen oder die DBUDie Deutsche Buddhistische Union (DBU) ist die unabhängige Dachorganisation der deutschen Buddhistinnen und Buddhisten. Mitglieder sind einzelne Personen (grösste Gruppe) und bud... Mehr > haben Listen von Glaubensinhalten, Gelöbnissen, Ritualen und vieles mehr, die aus ihrer Sicht einen Buddhisten definieren. Übernehme solche willkürlichen Festlegungen nicht, ohne sie zu hinterfragen, rät der Buddha im Kalama-Sutta, du bist selbst verantwortlich für deinen Weg.
Musst du meditieren, wenn du Buddhistin bist?
Nein. Die wenigsten Buddhistinnen meditieren. Für Jahrtausende bis heute hat der überwiegende Teil der buddhistischen Laien nie meditiert, sondern in Asien als hauptsächliche buddhistische Praxis die Klöster unterstützt. Sie würden jedoch deshalb nie auf die Idee kommen, sich nicht als Buddhisten zu bezeichnen.
Nachdenken, zuhören, meditieren
Du beschreibst, dass du durch Kontemplation (Nachdenken) erkannt und in deinem Leben erfahren hast, wie die Merkmale der Existenz (Unbeständigkeit, Bedingtheit und Unpersönlichkeit) mit unseren Leiden und Sorgen zusammenhängen. Genau diese Einsicht und die Erfahrung, wie das Leben durch diese Einsicht leichter wird, sind die ersten drei Aufgaben oder auch “edlen Wahrheiten”, die du somit übst.
Der Buddha hat drei gleichberechtigte Wege zur Erkenntnis der Lehre beschrieben: Nachdenken, Lernen von anderen, Meditation. Im optimalen Fall ergänzen sich alle drei bei der Kultivierung (wörtl. Bedeutung von bhavanaBhavana (Pali) bedeutet etwas hervorbringen, Geistesentfaltung bzw. -kultivierung. Man unterscheidet Entfaltung der Gemütsruhe, der Sammlung (samatha-bhāvanā) durch Kultivierung... Mehr >/ Meditation) und Praxis von Buddhas Weg.