Definition

Bodhi (Erwachen) bezeichnet im Buddhismus das Erreichen tiefster Einsicht in die Dynamiken, die unsere Lebensrealität schaffen und die Befreiung von Stress, Leid, Unzufriedenheit und Druck, (Dukkha), die wir in Reaktion darauf entwickeln. Es beinhaltet das tiefe Erkennen und Verstehen der Vier Edlen Wahrheiten und des Bedingten Entstehens, Erkenntnisse, die zur vollständigen Befreiung (Nirvana) führt. Der historische Buddha, Siddhartha Gautama, erreichte Bodhi unter dem Bodhi-Baum in Bodhgaya.

Übersetzung und Wortherkunft

  • Pali: Bodhi
  • Sanskrit: Bodhi
  • Übersetzung: Erwachen, Erleuchtung, Erkenntnis
  • Etymologie: Der Begriff stammt von der Wurzel budh- (erwachen, verstehen) und bedeutet wörtlich “Erwachen” oder “geistiges Erkennen”.
  • Synonyme: Erwachen, Befreiung, Erleuchtung

Beschreibung und Bedeutung

Bodhi wird als das Ziel des buddhistischen Pfades verstanden. Es bezeichnet die Freiheit des Herzgeistes (Citta) von den Dynamiken von Unwissenheit (Avijja) und Anhaftung (Tanha). Die Verwirklichung von Bodhi steht in Zusammenhang mit einer tiefen Einsicht in die Prinzipien von Leere (Sunnata), Veränderlichkeit (Anicca), der Unzufriedenstellenden Natur (Dukkha) und Nicht-Selbst (anatta), Charakteristiken, die alle Phänomene prägen.

Im Säkularen Buddhismus wird Bodhi als ein fortschreitender Prozess von Verständnis und Erkenntnis verstanden, nicht als übernatürlicher oder transzendenter Zustand. Bodhi zeigt sich in einer ausgeprägten Fähigkeit zur Präsenz, der Abwesenheit von impulsiven Reaktionsmustern und einer Weisheit, die es erlaubt ein Leben geprägt von ethischen Motiven und tiefer Gelassenheit zu führen.

Im Theravada-Buddhismus wird Bodhi als individuelle Einsicht verstanden, die durch Vipassana-Meditation und den Edlen Achtfachen Pfad erreicht wird. Die Befreiung wird als das Ende des Daseinskreislaufs (Samsara) betrachtet.

Im Mahayana-Buddhismus wird Bodhi oft im Zusammenhang mit dem Bodhisattva-Ideal betrachtet. Ein Bodhisattva erreicht Erwachen nicht nur für sich selbst, sondern bleibt im Kreislauf der Wiedergeburten, um allen Wesen zu helfen.

Bezug zur täglichen Praxis und ethischem Leben

Bodhi ist nicht nur das Ziel, sondern zeigt sich im Kleinen bereits im Alltag als Momente des Aufwachens aus den Narrativen und impulsiven Reaktionen, die uns ansonsten in ihren Bann schlagen. Ein Aufwachen, dass uns in die Lage versetzt, bewusst eine Handlung und Haltung zu wählen, die für uns selbst und andere zuträglich und von Fürsorge, Klarheit und Weisheit geprägt ist. Momente in denen wir “aufwachen” und in Kontakt kommen bzw. tiefes Verständnis entwickeln für Dynamiken, die sich in und um uns abspielen, ohne impulsiv auf diese reagieren zu müssen.

Kurze Praxis: Achtsamkeit für wache Momente

  • Nimm wahr, wenn eine Geschichte, ein Narrativ, eine fixe Idee zur Ruhe kommen und wieder mehr Perspektiven, mehr geistige Flexibilität und Wahlmöglichkeiten zugänglich werden.
  • Nimm wahr, wenn der Geist sich von einer Strategie, einer Idee davon, wie du selbst oder eine bestimmte Situation sein sollte, zu lösen vermag und wieder eine größere Anzahl von Lösungsmöglichkeiten und Optionen zur Verfügung stehen.
  • Nimm wahr, wenn Handlungsdruck, eine Obsession oder eine Fixierung auf ein bestimmtes Thema, ein Zweifel oder Schuldgefühle nachlassen.
  • Nimm wahr, wenn eine belastende Emotion wie Ärger, Langeweile, Angst, Kränkung oder ein sich wiederholendes Gedankenmuster zur Ruhe kommt.

Suttas zum Thema Bodhi

  • Bodhirajakumara Sutta (MN 85)
    Der Buddha beschreibt seinen eigenen Weg zum Erwachen und betont die Notwendigkeit von Entsagung und Weisheit.

  • Ariyapariyesana Sutta (MN 26)
    Die Suche nach dem Erwachen und der Übergang vom weltlichen Leben zur spirituellen Verwirklichung.

  • Dhammacakkappavattana Sutta (SN 56.11)
    Die erste Lehrrede des Buddha, in der er die Vier Edlen Wahrheiten nach seiner Erleuchtung erklärt.