Inklusion als ethischer Wert im Buddhismus

Inklusion Wert Ethik Buddhismus

Von Buddhastiftung

Inklusion – Tugend oder Theorie?

Buddhismus und Inklusion sind zwei Begriffe, die auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun haben. Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass Inklusion ein zentraler ethischer Wert im Buddhismus ist. In der buddhistischen Lehre (Dharma) gibt es zum einen das Konzept und die Praxis von Metta, meist mit „liebender Güte” oder Freundlichkeit übersetzt. Zum anderen ist Mitgefühl (Karuna), die mitfühlende Sorge um die Probleme und Leiden der anderen ein zentraler Bestandteil des Dharma. Diese beiden Tugenden umfassen die Idee der Inklusion für alle Lebewesen.

Inklusion bezieht sich auf die Fähigkeit, alle Menschen in die Gemeinschaft aufzunehmen und ihnen Wertschätzung und Respekt entgegenzubringen, unabhängig von Unterschieden wie Hautfarbe, Geschlecht, Religion, Alter, Gesundheitszustand, Behinderung oder Nationalität. Im Buddhismus wird die Idee betont, dass alle Lebewesen gleichwertig sind und dass es wichtig ist, Mitgefühl und Freundlichkeit allen (auch sich selbst) gegenüber zu kultivieren und zu leben. Insofern ist Inklusion im Buddhismus kein theoretischer Sachverhalt, sondern eine Tugend im klassischen Sinn.

Wo sind diese Ideen niedergelegt?

Der Pali-Kanon ist die wichtigste und über 2000 Jahre alte Textsammlung des Buddhismus, die die grundlegenden Lehren des Buddha in verschiedenen Texten (Sutten) enthält. Obwohl der Begriff “Inklusion” nicht direkt im Pali-Kanon erwähnt wird, gibt es einige Textstellen, die zeigen, dass der Buddhismus eine inklusive Haltung gegenüber allen Lebewesen unterstützt.

Es ist zu beachten, dass diese Texte nicht explizit auf Inklusion als solche eingehen, aber sie zeigen, dass der Buddhismus eine offene und mitfühlende Haltung gegenüber allen Lebewesen unterstützt und dass er die Bedeutung von Respekt und Verständnis zwischen den Menschen betont.

Hier sind einige Beispiele:

  • Im Dhammapada, einer Sammlung von Lehrsätzen des Buddha in Versform, heißt es: “Alle Wesen zittern vor der Gewalt, alle Wesen lieben das Leben, sieh dich selbst in anderen, und töte nicht, verletze nicht.” (Vers 130). Hier kommt die Empathie und Gleichheit aller Lebewesen zum Ausdruck, eine Voraussetzung für Inklusion.
  • Im Singalasutta, einem Text über ethische Grundsätze, betont der Buddha die Bedeutung von gegenseitigem Respekt und Verständnis zwischen den verschiedenen sozialen Gruppen der damaligen Zeit. Dort wird auch eingefordert, strukturell bedingte soziale Ungleichheit, so weit wie möglich auszugleichen.
  • Im Metta-Sutta, einem Text über die Praxis der “liebenden Güte”, erklärt der Buddha die Praxis, für das Wohlergehen aller Lebewesen zu meditieren, unabhängig von ihrer Art oder Herkunft: “Mögen alle Wesen glücklich sein. Mögen sie sicher und geborgen sein. Mögen sie frei von Leid sein”.
  • Im Kalama-Sutta betont der Buddha die Bedeutung von persönlicher Erfahrung und kritischem Denken. Er ermutigt die Menschen, weder Lehren, Überlieferungen noch Lehrern blind zu glauben, sondern die Praxistauglichkeit im Leben durch die eigenen Erfahrungen zu überprüfen. Er bezieht seine eigene Lehre (Dharma) in diese kritische Überprüfung mit ein.

Als pragmatischem Mensch war es dem Buddha wichtig, dass die von ihm gelehrte Praxis im Alltag von Nutzen war: Wenn ihr festgestellt habt, dass „…diese Dinge tauglich (sind und)… von vernünftigen Menschen gepriesen (werden), wenn man sie sich zu eigen macht (und) sie zu Nutzen und Glück (führen), dann solltet ihr sie euch zu eigen machen und daran festhalten.“

Im Kalama-Sutta wird gleichzeitig betont, dass die grundlegende ethische Haltung und Praxis von Mitgefühl (Karuna), Freundlichkeit (Metta) und Mudita, der Freude am Wohlergehen anderer, im Handeln seinen Ausdruck finden muss.

Säkularer Buddhismus und Inklusion

Der säkulare Buddhismus ist eine moderne Interpretation des Buddhismus, die sich auf die praktische Anwendung der buddhistischen Prinzipien im täglichen Leben konzentriert. Dabei steht der säkulare Buddhismus auf dem Fundament eines selbstkritischen, wissenschaftlichen Weltbildes. Er macht sich jedoch die kulturell bedingten Glaubensinhalte des Buddhismus wie z.B. Wiedergeburt oder Reinkarnation nicht zu eigen.

In Bezug auf Inklusion betont der säkulare Buddhismus die Idee, dass alle Menschen, unabhängig von ihrer Weltanschauung, ihrer Rasse, ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung, willkommen sind und dass sie in die buddhistische Praxis integriert werden können. Inklusion dementsprechend auch in der säkularen buddhistischen Gemeinschaft (“Sangha”) zum Ausdruck, wo jeder in der hierarchiefreien Gemeinschaft der Praktizierenden willkommen ist.

Traditioneller Buddhismus und Inklusion

Diese inklusiven Werte des säkularen Buddhismus werden von traditionellen, hierarchisch organisierten buddhistischen Gruppen z.B. aus Asien oder Tibet oft nicht geteilt. Dort ist es z.B. Frauen mit Verweis auf die Tradition nicht erlaubt ist, gleichberechtigt mit Männern ein klösterliches Leben zu führen oder buddhistische Ämter zu bekleiden.

Kultivierung von Achtsamkeit und Fürsorge für eine inklusive Welt

Der säkulare Buddhismus betont die Bedeutung von Mitgefühl, Fürsorge und Achtsamkeit als zentrale Prinzipien, die zur Entwicklung eines ethischen Lebens und somit auch von Inklusion beitragen können. Die Praxis der Achtsamkeit hilft, negative Emotionen wie Angst, Wut und Vorurteile gegenüber den Mitmenschen zu erkennen und zu transformieren, was wiederum zu mehr Verständnis und Akzeptanz führen kann.

Insgesamt betont der säkulare Buddhismus die Idee, dass die buddhistischen Prinzipien und Praktiken für jeden zugänglich sein sollten und dass Inklusion eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass jeder Mensch davon profitieren kann. Die Prinzipien des säkularen Buddhismus können auf diese Weise vielleicht dazu beitragen, die Gesellschaft zu transformieren und zu einer inklusiveren, mitfühlenderen und achtsameren Welt beizutragen.

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